12.02.2019, 0 Kommentare
Eine professionelle Versorgung von Menschen mit akutem Schlaganfall nimmt auch den Aspekt von Sterben und Tod auf – so sehen es die internationalen Empfehlungen vor. Was die Praxis dabei herausfordert, lesen Sie hier.
Von Elke Steudter
Überblick |
(Quelle: Photo Visual Hunt)
Auch wenn die Mortalität nach akutem Schlaganfall in den letzten Jahren durch die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten gesunken ist – noch immer sterben Menschen an dieser plötzlich auftretenden Hirnerkrankung (Minnerup et al., 2014). Das liegt unter anderem daran, dass die Menschen immer älter werden und oft schon vor dem Schlaganfall verschiedene, meist chronische Krankheiten haben. Diese sogenannte Multimorbidität beeinträchtigt in vielen Fällen den Gesundheitszustand schon vor dem Schlaganfall oder macht die Schlaganfallbetroffenen vulnerabler für Komplikationen in der Akutphase. Die Literatur spricht davon, dass ca. 30-40% der Patienten und Patientinnen nach einem akuten Schlaganfall innerhalb eines Jahres sterben (Diederischs et al., 2011). Die 30-Tage Sterblichkeit bei akutem Schlaganfall wird bei 17% angegeben (Burton & Payne, 2012). Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie häufig dies bereits in der Akutphase, in den ersten Tagen im Spital geschieht. Genaue Angaben dazu sind spärlich. Denn erstens muss man zwischen der Sterblichkeit bei einem ischämischen (durchblutungsbedingten) und einen hämorrhagischen (blutungsbedingt) Schlaganfall unterscheiden. Und zweitens gibt es grosse Unterschiede, je nachdem aus welchem Land die Daten stammen. Für die Schweiz können die aktuellen Zahlen – kantonal differenziert – beim Gesundheitsobservatorium eingesehen werden.
End-of-life Care in die Akutversorgung bei Schlaganfall integrieren
Internationale Empfehlungen besagen klar, dass die end-of-life Care – also die spezialisierte Pflege und Behandlung am Lebensende – in der Schlaganfallversorgung berücksichtigt werden sollen (Braun et al., 2016). Dennoch ist dies häufig eine Herausforderung, denn der klassische Versorgungsauftrag einer Notfall- oder Intensivstation bzw. einer spezialisierten Abteilung für Schlaganfallbetroffene (Stroke Unit) hat einen anderen Fokus. In Situationen, in denen eine kurative Behandlung aber nicht mehr möglich ist, z. B. bei einen sehr ausgeprägten Schlaganfall mit schweren Komplikationen, kann der Ansatz der end-of-life Care die Lebensqualität der Patienten und Patientinnen verbessern.
Palliative Care und end-of-life Care in der Schlaganfallversorgung können
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Herausforderungen müssen gemeistert werden
Obwohl die end-of-life Care die Pflege von sterbenden Menschen mit akutem Schlaganfall verbessern kann, stehen die Health Professionals im klinischen Alltag damit vor grossen Herausforderungen. Zum einen ist die Versorgung von Patienten und Patientinnen mit akutem Schlaganfall häufig von grosser prognostischer Unsicherheit geprägt. Das heisst, der Krankheitsverlauf lässt sich oft nicht sicher vorhersehen. Dies bedeutet auch, dass häufig ungewiss ist, wie sich auftretende Komplikationen, z. B. eine Blutung nach einer Lysetherapie, ein Hirnödem oder eine Pneumonie, entwickeln und wie sie mit entsprechenden Massnahmen behandelt werden können und ob der Patient/die Patientin das Ereignis überlebt.
Darüber hinaus steht die Palliative Care und die end-of-life Care in der Schlaganfallakutversorgung noch weitgehend am Anfang. Viele Daten und Empfehlungen liegen aus der Versorgung von Menschen mit onkologischen Erkrankungen vor. In den letzten Jahren haben sich auch die Disziplinen wie Kardiologie oder Nephrologie zunehmend mit dem Thema beschäftigt. In der neurologischen Palliative Care hat vor allem die Versorgung von Menschen mit amyotropher Lateralskerose (ALS) grosse Bedeutung (Burton & Payne, 2012). Für den Bereich der neurologischen Akuterkrankungen besteht in diesem Bereich Nachholbedarf.
Neben diesen Faktoren, die eine integrierte end-of-life Versorgung in der Schlaganfallpflege erschweren, besteht die Herausforderung darin, dass viele der betroffenen Patienten und Patientinnen krankheitsbedingt ihre physischen, spirituellen, emotionalen und existenziellen Bedürfnisse nicht verbal kommunizieren können (Doubal et al., 2018) und eine Notfallplanung oder eine Patientenverfügung nicht immer vorliegen.
Sensibilisierte Praxis
Wenn die Frage nach der end-of-life Care im Behandlungs- und Pflegeprozess vorurteilsfrei gestellt werden darf, könnten mehr Patienten und Patientinnen, die von diesem Ansatz profitieren würden, entsprechend gepflegt werden. Dazu haben Burton & Payne (2012) ein Modell erarbeitet, dass die Einführung von Palliative und end-of-life Care in der Schlaganfallakutversorgung erleichtern kann. Zentral dabei bleibt, wie sensibel und frühzeitig eine mögliche Palliative Care/end-of-life Care von den Health Professionals erfasst wird. Dies kann durch Fachwissen und entsprechende Bildungsangebote unterstützt werden. Damit die Schlaganfallakutversorgung auch am Lebensende der Patienten und Patientinnen den hohen Standards gerecht wird.
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Literatur
Braun, L. T. et al. (2016). Palliative Care and Cardiovaskular Disease and Stroke. Circulation. 134:e198–e225. DOI: 10.1161/CIR.0000000000000438
Burton, C.R. & Payne, S. (2012). Integrating palliative care within acute stroke services: developing a programme theory of patient and family needs, preferences and staff perspectives. BMC Palliative Care, 11: 22.
Doubal, F. et al. (2018). The key challenges of discussing end-of-life stroke care with patients and families: a mix-methods electronic survey of hospital and community healthcare professionals. J R Coll Physicians Edinb 2018; 48: 217–224.
Minnerup, J., Wersching, H., Unrath, M. & Berger, K. (2015). Explaining the Decrease of In-Hospital Mortality from Ischemic Stroke. PLoS ONE, 10 (7): e0131473. doi:10.1371/journal.pone.0131473
Dr. phil. Elke Steudter | Pflegewissenschaftlerin | Careum Weiterbildung
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